Impuls-Paper für Familienunternehmer Nr. 2

Ist mein Unternehmen übergabewürdig?

Wenn Sie ein Unternehmen übergeben möchten, das Ihnen zu maßgeblichen Teilen oder alleine gehört, das Sie eventuell über Jahre aufgebaut und geleitet haben, dann ist Ihnen dieses Unternehmen vermutlich auch ein Stück „ans Herz gewachsen“ und hat für Sie einen „Wert an sich“, weil es ein Lebenswerk darstellt oder mit Familientradition verbunden ist und so weiter. Oftmals ist gar Ihr Name mit dem Unternehmen verbunden, es besteht also eine sehr persönliche Verbundenheit. Vor diesem Hintergrund stellt sich mitunter gar nicht die Frage, ob Ihr Unternehmen überhaupt übergabewürdig ist. Deshalb stellen wir an dieser Stelle diese ungemütliche Frage.

Machen Sie sich bitte folgende nüchterne Tatsache bewusst: Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM Bonn) geht in einer 2018 veröffentlichen Studie davon aus, dass lediglich etwa 20% aller Familienunternehmen „übergabewürdig“ sind1. Was ist damit gemeint? Die meisten Familienunternehmen – es sind hier auch die Klein- und Kleinstunternehmen einbezogen – erwirtschaften keinen ausreichenden Ertrag. Vergleichsmaßstab ist bei diesen Überlegungen, was ein Eigentümer bei einer vergleichbaren Angestelltentätigkeit verdienen würde und welche Mindestverzinsung für ein eingesetztes Kapital anzusetzen wäre. Für viele Unternehmer zählt die eigene Selbstständigkeit mehr als die Höhe des erzielten Einkommens. Das ist durchaus legitim, jedoch keine optimale Ausgangsbasis, wenn es um die Frage der Nachfolge geht.

Sie sind Unternehmer aus Überzeugung und finden das zu nüchtern? Dann wechseln Sie bitte die Perspektive und machen Sie sich klar, was es für einen jungen Menschen bedeutet, sich in die Verantwortung für das eigene Familienunternehmen zu stellen. Da winken nicht nur Erfolg, Ruhm und Ehre, sondern auch Jahre harter Arbeit, Belastungen und mitunter auch Entbehrungen im Hinblick auf die private Lebensplanung. Es gibt definitiv ruhigere Jobs, als ein Familienunternehmen zu führen. Und wenn ein junger Mensch unternehmerischen Spirit hat, dann sollte er oder sie sich genau überlegen, ob es eine kluge Idee ist, in eine solche Verantwortung zu treten. Seien Sie offen für solche Überlegungen und gemeinsame Diskussionen innerhalb der Familie.

Am besten Sie beantworten für sich selbst zunächst folgende Fragen:

  1. Was genau kann ich an einen Nachfolger oder einen Käufer übertragen?

    Gibt es eingespielte Prozesse, die von qualifizierten Mitarbeitern eigenständig und erfolgreich gelebt werden?

    Mit anderen Worten: Wie gut funktioniert mein Geschäftsmodell ohne mein persönliches Zutun? Dies ist ein entscheidender Punkt, denn wenn mit Ihrem Ausscheiden aus dem Unternehmen betriebsnotwendiges Know-how verloren geht, mindert das maßgeblich den Wert – gleich ob für einen Käufer oder für einen familieninternen Nachfolger.

  2. Wirft das Unternehmen einen interessanten Ertrag ab, der über eine vergleichbare Angestelltentätigkeit (plus Erträge für das eventuell eingesetzte Kapital!) deutlich hinausgeht?

    Mag sein, dass es um Ihr persönliches „Lebenswerk“ geht und Ihr Unternehmen daher für Sie persönlich einen besonderen Wert hat. Für einen Nachfolger oder Käufer muss es jedoch auch eine wirtschaftlich attraktive Perspektive bieten, denn sonst stehen Risiko, Aufwand und Nutzen in keinem guten Verhältnis.

  3. Wie sieht die Entwicklungsperspektive meines Unternehmens aus?

    Gibt es eine ausformulierte, zukunftsweisende und belastbare Strategie für Ihr Unternehmen oder leben Sie primär von Erfolgen der Vergangenheit? Haben Sie Ihre Hausaufgaben in Sachen Digitalisierung gemacht? Das heißt: nicht nur Prozesse zeitgemäß und digital zu organisieren, sondern vor allem auch das eigene Geschäft im Hinblick auf Substitution durch digitale Geschäftsmodelle zu überprüfen und im Unternehmen eigene Kompetenzen für Strategie und digitale Transformation aufzubauen.

Nur wenn Sie alle drei Fragenkomplexe positiv beantworten können, ist Ihr Unternehmen für eine familieninterne Nachfolge wirklich interessant. Denn Sie sollten einer nächsten Generation ja ein entwicklungsfähiges Unternehmen weitergeben und kein „Auslaufmodell“. Stellen Sie sich vor, ein gutgläubiger familieninterner Nachfolger oder eine Nachfolgerin stellt wenige Jahre nach der Übernahme fest, dass das übernommene Unternehmen wider Erwarten keine wirklich gute Perspektive am Markt hat – das kann im ungünstigen Fall ein „böses Erwachen“ mit allen finanziellen, emotionalen und familiären Folgen sein.

Sollten Sie sich eingestehen, dass Sie die genannten Fragen nicht positiv beantworten können, dann könnte es sein, dass Sie Ihrer Familie einen besseren Dienst erweisen, wenn Sie Ihr Unternehmen – vielleicht noch rechtzeitig vor einem Wertverlust? – am freien Markt zum Verkauf stellen.



Wir wünschen Ihnen viel Erfolg!

Ihr Team von Michallik Consult GmbH

Wiesbaden, August 2019





1Vgl. Kay et al. 2018: Daten und Fakten Nr. 18, Unternehmensnachfolgen in Deutschland 2018 – 2022, S. 23


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Michallik Consult GmbH (Hrsg.): Impuls-Paper Nr. 2, Ist mein Unternehmen übergabewürdig?
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